Zurück zu den Wurzeln

Das Soloprojekt von Gotthard-Gitarrist und Gründungsmitglied Leo Leoni ist fulminant gestartet. Die harten Songs der ersten drei Gotthard-Alben sind wie ein gewaltiger Donner über das Publikum hereingekracht. Wo Leoni draufsteht, ist Leoni drin!

Zurück zu den Wurzeln

Es ist noch gar nicht lange her, seit Leo Leoni sein Soloprojekt «CoreLeoni» publik gemacht hat. Seither ging es Schlag auf Schlag: Konzerttermine, eine eigene neue Single, ein Plattenvertrag und die Ankündigung eines Albums im Februar 2018. Gemäss eigener Aussage hatte Leoni einfach Lust, den alten Ur-Gotthardsongs der ersten drei Alben wieder neues Leben einzuhauchen. Wieder zurück auf die harte Schiene, zurück in die Vergangenheit.

Dafür hat er vier weitere professionelle Musiker ins Boot geholt, die ihn bei seinem Vorhaben unterstützen. Jgor Gianola war bereits in den 90er Jahren Tourgitarrist von Gotthard und ist nun wieder mit dabei. Am Bass konnte Leoni Mila Merker von Soulline verpflichten. Am Mikrofon ist der Chilene Ronnie Romero, welcher Gründungsmitglied und Lead-Sänger der spanischen Band «Lords Of Black» ist und seit 2016 auch Sänger von «Rainbow». Mit seiner kräftigen und reinen Stimme erinnert er an den verstorbenen Steve Lee, welcher die Gotthard-Songs unverkennbar geprägt hat. Nicht zu vergessen, am Schlagzeug Gotthard-Bandkollege Hena Habegger, welcher mit Leo seit Jahrzehnten ein eingespieltes Team bildet.

Im Vorprogramm haben «Underskin» aus Zürich für CoreLeoni eröffnet. Die junge Alternativerock-Band gab

45 Minuten Vollgas und heizte das Publikum zünftig auf. Die Band hat einen eigenen, geradlinigen Stil und mit Sängerin Andrina Travers eine sehr talentierte Stimme am Mikrofon. Diese Frau hat ihre Berufung offensichtlich gefunden und man darf gespannt sein, was «Underskin» in Zukunft noch bieten werden.

Nach dem kurzen Bühnenumbau gingen die Lichter aus für CoreLeoni. Für Gotthardfans eher ungewohnt, den Bandmitgliedern so nahe kommen zu können. In der Regel füllen Gotthard riesige Hallen, mit einem Gitter bis zwei Meter vor der Bühne. In der Musigburg herrschte jedoch ein passend familiäres Ambiente, um Leonis neues Projekt publikumsnah vorstellen zu können.

Bereits von Anfang an gings hart zur Sache. «Higher» war der Eröffnungstrack, gefolgt von «Standing In The Light» und «Downtown». Wie eine Dampfwalze donnerten die Riffs dieser schon seit Jahren nicht mehr live gespielten Gotthard-Songs durchs Publikum. Die Zuhörerschaft war sichtlich begeistert. Besonders die Ur-Gotthardfans die seit Anbeginn dabei sind, fühlten sich Jahrzehnte zurückversetzt. Leoni selber kommentierte, dass er 20 Jahre auf diesen Moment gewartet habe. Ohnehin konnte man ihm die unendliche Freude und den Stolz während jeder einzelnen Sekunde des Konzerts ansehen. Man sah ihn quasi aus sich herauskommen, als würde ein 20 Jahre jüngerer Leoni auf der Bühne stehen, der mit Herzblut an die vergangenen Zeiten anknüpft. Einen musikalisch kaum zu übertreffenden Beitrag leistete auch Ausnahmesänger Romero, welcher die Texte überzeugend und mit klarer Stimme ins Mikrofon brüllte. Teilweise war der Unterschied zwischen den originalen Gotthardsongs und den CoreLeoni-Interpretationen verschwindend klein und kaum zu hören.

Natürlich knallte der Kopf der Band dem Publikum auch seine berühmten Gitarrensolos um die Ohren. So dauerte der Urkracher «Firedance» mit dem einzigartigen Solo locker um die zehn Minuten.

Dann war es an der Zeit für einen ruhigeren Part, der im Vergleich aber nur sehr kurz ausfiel. «All I Care For» und «Let It Be» bildeten das Team, um Publikum und Band eine kurze Verschnaufpause zu gönnen.

Bevor CoreLeoni «Make My Day» anstimmten, zeigte Romero auf eine Frau im Publikum, ganz vorne in der ersten Reihe. «You are honey, right?». Sie nickte und lachte. «So you're telling me now all your friends call you honey. There's your name on the wall and it ain't that funny». Ein kurzer Einblick in ein Stück Bandgeschichte und das Gesicht der Inspiration hinter dem Songtext.

Natürlich durfte auch der absolute Klassiker «Mountain Mama», der auch von Gotthard noch an jedem Konzert gespielt wird, nicht fehlen. Aber auch dieser Song tönte von der neuen Kombi gespielt noch härter.

Vor der Zugabe dann das: Als wollten die fünf Musiker ihren letzten Funken Energie auch noch loswerden, bretterten sie «Here Comes The Heat» hin, als gäbe es kein morgen mehr. Beim von Hena angegebenen Tempo hätte noch so manche Speed-Metalband ihre Sachen packen können.

Als Zugabe gab es ein Cover von Led Zeppelins «Immigrant Song» und als letztes Highlight zum Schluss den Knaller «Anytime Anywhere». Dieser ist und bleibt ein absolutes Meisterwerk der Bandgeschichte.

Viel zu schnell endete die Zeitreise zurück in die Vergangenheit. Es bleiben ein unvergesslicher Abend, Ohren- und Nackenschmerzen für die nächsten Tage, fünf vor Glück strahlende Musiker und für mich die Gewissheit, dieses tolle Musikprojekt auch in Zukunft zu supporten.

Ein paar persönliche Gedanken zum Schluss:

Seit 14 Jahren, also bereits seit mehr als meinem halben Leben, bin ich treuer Gotthardfan. Ich habe viele Hochs und Tiefs der Band miterlebt, den traurigen und sinnlosen Tod von Steve noch immer kaum begriffen. Und jetzt bietet sich mir unerwartet die Möglichkeit, ein weiteres Stück Gotthard-Bandgeschichte erleben zu dürfen: die alten, harten Sachen live hören zu können. Als Gotthard 1992 ihr Debut auf den Markt brachten, war ich gerademal ein Jahr alt.

Darum kann ich eines nicht verstehen: Im Internet nennen sich manche Leute langjährige Gotthardfans und stellen gleichzeitig alles in Frage. Sie provozieren mit der Behauptung, es gehe nur um Geldmacherei und Ausverkauf der alten Hits. Das Projekt sei ein Verrat gegenüber den Gotthard-Kollegen.

Wer solche Gedanken im World Wide Web verbreitet, hat eines aus meiner Sicht nicht verstanden: CoreLeoni bieten uns hier eine einmalige Chance! Zwei Gründungsmitglieder beschliessen, zurück zu den Wurzeln zu kehren und geben somit der nächsten Generation die Chance, etwas scheinbar bereits Vergangenes doch noch erleben zu können. Eine Chance, die es sonst niemals gegeben hätte.

Nur wer die Magie gespürt hat, wer die glänzenden Augen der Bandmitglieder – und der Leute im Publikum – gesehen hat, kann das wirklich verstehen.

Noch nie sah ich bei einem Musiker einen so erfüllten Gesichtsausdruck, wie an diesem Abend bei Leo. Er konnte tun, was er liebt und ein Stück Vergangenheit wiederaufleben lassen. So wie damals, als sein Freund Steve noch neben ihm stand. Es geht nicht um Geld, es geht um pure Nostalgie.

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